Schreckensjahre!... Ein Brief vom 30. Dezember 1795
Dieser Brief schildert die Leiden des Fritz von Massenbach aus Oberstreit
während des ersten Koaltionskrieges, d.h. in den Jahren 1794 und 1795,
wohl den schlimmsten Kriegsjahren in unserer Gegend.
Hoch Edelgebohrener Herr,
Insonderst Hochwerthister Hr. Amtmann,
Euer Hoch Edelgebohren muß ich mit tausend weh-Klagen berichten, wie es mir leidter Ergangen ist, daß ich den 15ten 8ber (15. Okt. 1794) des vorigen Jahrs bin ausgeblindert worden von denen frantzosen, ich habe ein Krämgen angeschaft, ein welches bestanden ist in schnallen, mäßer, frembter Knäpf, ansonsten ander Kleine Krämerwahren. Saltz, frischen Duback, Caffe und Zucker, womit ich mir Ehrlich ernärth habe un welches mir 100 gulden gekost hat. Die blinderung hat getauert des morgens um 9 uhr biß des anderen tags um 8 Uhr. Mein Holtz, daß ich gekauft habe zum bauen, haben die frantzosen mir verbrendt und mir die Schuh außgezogen. Den Rock, Hembter, in suma alles waß sie gefunden, mir beraubt haben.
Ach daß sich Gott erbarme; und dieses Jahr ist es noch viel schlimer hergegangen, wie sie haben rederiren müssen (29./30. Okt. 1795). Ich bin dieses Jahr 2 mahl ausgeblindert, dan in unserm (bei uns) haben 4000 Man 4 täg lang gelegen, welche alles uns genohmen, Bettung und Kleidung, Weißzeug, alles Vieh. Sie haben Thirn und Fenster verschlagen und die Pferde in die Stube stelt. Ich habe müssen 4 Tage und 4 Nächte mit meinen armen Kindern im Wald zubringen. Dan es ist niemand im Ort geblieben; es ist alles aus dem Ort geloffen und haben alles zurück gelassen. Die frantzosen, wan sie ein weibs-bild bekommen haben, so haben sie sie genotzigtigt und sind zwantzig über eins gegangen, und es liegen bey uns viel weibsleuth auf den Todt. Jetzo bin ich nackich und bloß: Kein Beth, kein Rock, kein Schuh und kein Hembt als eins am leib, wie auch meine arme Kindter haben nichts mehr. Mein Schathen, den ich habe und mir die frantzosen genohmen haben, macht mehr auß als 300 fl (Gulden). Der allmächtige Gott Erbarme sich meiner und wohle sie vor solches unglück behithen. Es ist ein Noth bey uns hir, die ich nicht genug beschreiben kan, den eine halbe Stund von uns ist eine Bataifle geschehen; daß wahr unser unglück.
Da sevnd die frantzosen geschlagen worden.
(Es folgen Erbschaftsfragen mit dem Rittmeister von Massenbach, von dem der Briefschreiber hofft, daß dieser:) Doch ein Comiseration mit mir armen unglückligen menschen haben wird, wo ich jetzo der unglückste unter allen den meinigen; dan wan man hir auch schon will bettlen gehen, man bkombt nichts, dan die Leuth haben selbst nichts mehr.
Liebwerthister Hr. Amtmann, ich bitte sie um Gottes Barmhertzigkeit willen und um das jinste gericht, Erbarmen sie sich meiner und nehmen sie sich meiner an wie vorhin. ach Lieb, lieb werthester Hr. Batron, verlassen sie mir nicht. Der allmächtige gott wird sie glück und seegen davir geben. Die frantzosen stehen nur noch 6 stunden von uns in dem sohnwald und wir seynd noch in der furcht, daß sie wieder kommen; und wan dieses geschieht, so thun sie sönnen und brennen. Bitte sie nochmahls um daß bludt jesu christi willen, mir nicht zu verlassen. schicken dieselben mir 2 Carolin, aber nicht an den Kaufman schmaltz nacher manheim, dan der Verwalder aus der Paltz Pütz ist nicht mehr da. schücken sie mir es auf der Bost, so bekomm ich es richtig, wan es ihnen gefällig ist. dan ich muß und will selbst zu ihnen reisen hinauf, daß ich ihnen meine noth und schücksahl mintlich klagen, wie auch dem Herrn ritt meister von Massenbach. nehmen sie mir nicht übel, daß ich so schlecht schreiben thu; dan ich bin so math und virwird im Kopf, daß ich nicht weis, waß ich thu.
übriges habe ich die Ehre, mich zu Empfehlen und lasse mich tausend und tausend mahl Recomandirt sein in der schutz und schirm.
Verharr mit vollem Respect und hochachtung
Euer Hoch Edelgebohren
meinem allerliebsten Batron
Gantz gehorsamster Diener
Oberstreith,, d. 3Otn Xbr. 1795
Fritz v. Massenbach
B.S. Meine gehorsamste Comp. an Hrn. Rittmeister
v. Massenbach, wie auch an dero frau gemahlin.
Aus der Sammlung von Ernst Otto Simon